Pre-Proposal für das ESOP Stipendium

Da meine Bewerbung um das ESOP Stipendium der ETH Zürich nun abgeschlossen ist, möchte ich nun einen interessanten Teil der Bewerbung vorstellen: das Pre-Proposal für die Masterarbeit. Es ging darum in 500 Wörtern ein Forschungsprojekt auszuarbeiten, das sich als Masterarbeit eignen würde.

Mir war von Anfang an klar, dass ich ein Projekt aus der Teilchenphysik einreichen möchte. Es fiel mir jedoch schwer, ein konkretes Projekt zu finden, das einerseits wissenschaftlich bedeutend und andererseits in 6 Monaten zu bewältigen ist. Ich las deshalb viele Whitepapers aus der Hochenergiephysik (dabei stiess ich neben anderen auf das humorvolle Where is Particle Physics going? von John Ellis, ich kann es als Lektüre empfehlen!).

Irgendwann entdeckte ich das Paper Studying Antimatter Gravity with Muonium der MAGE Kollaboration des Paul Scherrer Instituts (PSI). Dieses dreht sich um ein geplantes Experiment, welches das Gravitationsverhalten von Antimaterie untersuchen soll (ich habe es bereits in einem früheren Beitrag vorgestellt). Mein Interesse war geweckt.

Detektion

Ich las mehr Papers über das Experiment und versuchte, einen gewissen Teil für mein Pre-Proposal abzustecken. Am Anfang fokussierte ich mich auf den Detektor des Experiments, welcher den Zerfall von Muonium-Teilchen registrieren soll. Muonium ist ein gebundener Zustand eines Antimuons mit einem Elektron. Ich hatte die “Idee”, Techniken des maschinellen Lernens für die Teilchendetektion zu verwenden.

Mein erster Entwurf für das Pre-Proposal sah so aus:

Ich zeigte ihn einem Wissenschaftler im Observatorium, in dem ich damals meinen Zivildienst leistete. Dieser gab mir ziemlich unverblümt zu verstehen, dass er ihn nicht für besonders gut hielt. Zudem stellte sich heraus, dass das maschinelle Lernen schon seit über 20 Jahren in der Hochenergiephysik verwendet wird – mein Pre-Proposal war also nicht gerade innovativ. Das war ein harter aber gleichzeitig enorm wichtiger Moment in meinem Bewerbungsprozess.

Strahlerzeugung

Das weitere Vorankommen war zäh. Ich verwarf die Idee mit dem Detektor und stellte auch die gesamte Idee mit dem MAGE Experiment in Frage. Dabei hatte es mich sehr fasziniert. Ich wollte also noch nicht aufgeben. Irgendwann kam ich auf die Idee, mich der Muonium-Strahlerzeugung zu widmen. Diese stellt nämlich eines der Kernstücke des Experiments dar. Damit das Experiment überhaupt funktionieren kann, braucht es einen langsamen (in diesem Zusammenhang ist langsam als ~1’000 m/s zu verstehen) Strahl mit einem scharfen Energieprofil (die kinetische Energie der Muonium-Teilchen sollte sehr einheitlich sein). Ein solcher Strahl kann nicht mit der bestehenden Technik – in einer Silikondioxid-Schicht neutralisierte Antimuonen – erzeugt werden.

Deshalb wird aktuell am PSI an einer neuen Technik geforscht, die auf einer Schicht aus suprafluidem Helium basiert. Flüssiges ⁴He liegt unter einer Temperatur von 2.17 K als Supraflüssigkeit vor, sprich in einem makroskopischen Quantenzustand, in dem die Flüssigkeit keine innere Reibung mehr aufweist. Falls nun ein Strahl aus Antimuonen (wie man diesen erzeugen kann, ist im Video dieses Beitrags zu sehen) in der Heliumschicht gestoppt wird, entstehen Muonium-Atome im Helium. Bei der Strahlerzeugung will man jedoch sicherstellen, dass die Muonium-Erzeugung nahe an der oberen Grenze der Heliumschicht stattfindet. Deshalb werden die gestoppten Antimuonen mittels eines elektrischen Feldes zuerst nach oben bewegt (dies verhindert gleichzeitig die frühzeitige Muonium-Erzeugung). Ganz wenig unterhalb der oberen Schicht befindet sich dann ein Pool aus freien Elektronen, die mittels eines anderen elektrischen Feldes an Ort und Stelle gehalten werden. Das nach oben getriebene Antimuon vereint sich mit einem Elektron aus dem Pool und es entsteht ein Muonium-Atom, nahe an der oberen Grenze. Da das Muonium-Atom eine Unreinheit im Kollektiv der Heliumatome darstellt, wird es aus der Heliumschicht gestossen (dazu muss es sich aber eben nahe an der Grenze befinden). Es erhält beim Verlassen der Schicht eine charakteristische kinetische Energie von etwa 23 meV. So kann ein Strahl aus langsamen Muonium-Atomen erzeugt werden, die eine einheitliche kinetische Energie aufweisen.

Das Projekt

Mein Pre-Proposal drehte sich nun um die Erzeugung und Aufrechterhaltung des Elektron-Pools in der Heliumschicht. Dazu müssen im Wesentlichen zwei Probleme gelöst werden:

  1. Es müssen laufend neue freie Elektronen erzeugt werden, da sich Elektronen aus dem Pool mit eintreffenden Antimuonen zusammenschliessen und die Heliumschicht verlassen.
  2. Die Elektronen im Pool müssen knapp unterhalb der oberen Grenze der Heliumschicht festgehalten werden.

Das erste Problem lässt sich mit der sogenannten Feldemission lösen. Wird eine genügend hohe Spannung an eine Wolfram-Spitze angelegt, so können sich die Elektronen im Wolfram vom Metallverbund lösen (der Quantentunneleffekt spielt dabei eine wichtige Rolle). Es entstehen freie Elektronen.

Das zweite Problem kann mit einem externen elektrischen Feld gelöst werden. Dieses treibt die Elektronen nach oben. Durch die Polarisierung des Heliums werden sie aber von der Grenze der Schicht abgestossen, es entsteht also ein Potentialminimum knapp unterhalb der oberen Grenze der Heliumschicht. Eine Schwierigkeit dabei ist jedoch, dass das externe elektrische Feld verhindert, dass die Antimuonen und die Elektronen aufeinandertreffen. Da nämlich die Antimuonen und die Elektronen gegensätzlich geladen sind, werden sie vom externen Feld voneinander wegbewegt (bzw. die Antimuonen stossen gar nicht bis zum Elektron-Pool vor). Deshalb muss das externe Feld periodisch reduziert werden (immer dann wenn ein neues Paket an Antimuonen ankommt), ohne dabei die Pool-Elektronen freizulassen.

Diese Punkte sind in der finalen Version meines Pre-Proposals zusammengefasst:

Einen Entwurf dieses Proposals legte ich wiederum dem Wissenschaftler im Observatorium vor. Und diesmal fand er ihn sogar gut!

Nach dem Einreichen der Bewerbung habe ich zudem ein Feedback von einem Professoren der ETH bekommen. Er meinte, dass ein solches Projekt als Masterarbeit etwas (zu) ambitioniert sei, da viele unvorhersehbare Probleme auftreten könnten. Aber an sich schien ihm das Proposal zu gefallen. Ich könnte mir gut vorstellen, in Zukunft tatsächlich an einem solchen Projekt (wenn auch vielleicht in etwas abgeänderter Form) zu arbeiten!